Büroprofi Skribo GmbH Fil. Joh.Haas

Suche

NovemberOverlay E-Book Reader

November

Roman | Thomas Olde Heuvelt

E-Book (EPUB)
2023 Heyne Verlag; Boekerij
640 Seiten
ISBN: 978-3-641-26865-7

Rezension verfassen

€ 14,99

in den Warenkorb
  • EPUB sofort downloaden
    Downloads sind nur in Österreich möglich!
  • Als Taschenbuch erhältlich
  • Als Audio erhältlich
Kurztext / Annotation
In Lock Haven, einer beschaulichen kleinen Stadt in Washington State, gibt es eine ganz besondere Straße. Die Bird Street. Wer in der Bird Street wohnt, ist erfolgreich, wohlhabend, gesund und glücklich. Die Kinder allesamt ausgeglichen, wohlerzogen und klug. Zumindest für elf Monate im Jahr. Im November jedoch brechen die dunklen Tage an. Pech, Misserfolg und Krankheit halten Einzug. Im November kommt der Fremde in die Bird Street, um bei den Bewohnern die Schulden einzutreiben. Im November ist die Zeit gekommen, den Preis für all das Glück zu zahlen. Denn es kehrt erst zurück, wenn ein Menschenleben geopfert wird ...

Thomas Olde Heuvelt wurde 1983 in Nijmegen, Niederlande, geboren. Er studierte Englisch und Amerikanistik an der Radboud Universität Nijmegen und an der University of Ottawa in Kanada, wo er ein halbes Jahr lang lebte. Seine Kurzgeschichte »The Day the World turned upside down« wurde mit dem Hugo Award ausgezeichnet, andere Kurzgeschichten wurden für den Hugo Award und den World Fantasy Award nominiert. Seit ihm mit »Hex« der internationale Durchbruch gelang, ist Thomas Olde Heuvelt in den Niederlanden ein gefeierter Starautor, der mit seinen Romanen regelmäßig die Bestsellerlisten erobert.

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

RALPH

Die kranke Frau. Die Wohltäter aus der Bird Street.
Es ist nirgends schöner als daheim.

3. November

Die Frau sah so aus, als wollte sie sterben. Sie sah auch so aus, als würde sie das in absehbarer Zeit ohnehin tun, wenn sie ihr an diesem Nachmittag nicht halfen. Dennoch war sie hier und ließ sich von den Bewohnern der Bird Street in den Wald tragen.

Sie hieß Ann Olsen Dickinson, doch das Wichtigste war, dachte Ralph Lewis, dass sie so aussah, als hätte sie ihren Frieden damit gemacht. Ralph und seine Nachbarin Elizabeth Aikman hatten in den letzten Wochen mehrere lange Gespräche mit Ann Olsen Dickinson geführt, aber Ralph hatte genug Erfahrung, um zu wissen, dass man die wahren Beweggründe erst in ihren Augen ablesen konnte, wenn die Stunde der Wahrheit schlug. Manchmal empfanden sie sich als Last für die Familie. Vor allem die Älteren und die chronisch Kranken. Wenn Ralph in ihren Augen irgendetwas anderes als selbstbestimmte Entschlossenheit entdeckte, blies er die Operation ab, auch in letzter Minute. Dann war es moralisch nicht zu verantworten. Ralph Lewis war Richter am King County Superior Court in Seattle, aber um das zu wissen, musste man kein Richter sein. Dafür musste man Mensch sein.

Ann Olsen Dickinson war bereit. Das war glasklar. Das wurde nicht nur an den Schäden deutlich, die die Krankheit ihrem Körper zugefügt hatte - die weißen Stoppeln auf dem kahlen Schädel, die spindeldürren Hände, das eingefallene Gesicht, das wie ein bleicher Mond aus ihrem Wollschal schaute. Nein, während sie sie im strömenden Regen auf der Sänfte zwischen den Lärchen hindurch trugen, befand sich Ann Olsen Dickinson in einem Zustand ultimativer Glückseligkeit.

Sie redete ununterbrochen. »Jetzt schaut euch das mal an!«, krächzte sie wie eine Krähe. »All die Lichter! Und die Musik! Habt ihr das alles für mich organisiert?«

Elizabeth, die ihr keine Sekunde von der Seite wich, lächelte unter ihrer tropfenden Regenkappe. »Natürlich, Ann. Alles muss perfekt sein. Drunter machen wir es nicht.«

»Es ist wundervoll.« Als sie einatmete, ertönte ein pfeifendes Geräusch, und sie bekam einen Hustenanfall. Elizabeth legte ihr eine Hand auf den Rücken, und als der Anfall vorbei war, schenkte sie dampfenden Tee in die Kappe ihrer Thermosflasche und reichte sie der kranken Frau. Diese nahm sie entgegen und führte sie langsam zum Mund. Das meiste landete in ihrem Schal, aber ihre spröden, eingecremten Lippen vermochten zumindest ein wenig von der warmen Flüssigkeit zu schlürfen.

»Du bist ein Schatz«, sagte sie heiser, als sie ihre Stimme wiederfand. »Ihr seid alle Wohltäter.«

Ralph spürte ein Kribbeln auf seinem Schädel, dort, wo sich die Nervenbahnen bündelten und die ersten unbehaglichen Vibrationen durch seinen Körper schickten. Elizabeth hatte nicht gelogen, alles musste perfekt sein. Sie wollten den Menschen, die sie in den Wald hinter ihrem Haus brachten, ein transzendentales Erlebnis bereiten.

Dieser Teil des Snoqualmie National Forest - das Reservat am Rand von Lock Haven, Washington, das mit einem hohen, überwucherten Drahtzaun abgetrennt und Eigentum des McKinley-Clans war - erstreckte sich meilenweit am Westhang der Cascade Mountains entlang. Es gab nur einen einzigen Weg hinein, der South Sunday Trail genannt wurde. Er begann auf dem Landgut der McKinleys, hinter einem rostfarbenen schmiedeeisernen Tor in einer Steinmauer, das das ganze Jahr hermetisch abgeriegelt war. In der letzten Woche hatten Graham McKinley Junior und sein Bruder Maurice (»diese Ekelpakete«, nannte Luana sie immer, und da war Ralph mit seiner Frau völlig einer Meinung) vom Tor und dem nahe gelegenen Generatorhäuschen aus Stromkabel von riesigen Spulen gerollt und im Gestrüpp verborgen. Starkstromkabel natürlich. Marc Wachowski, ihr Nachbar von gegenüber, hatte mit der Dekoration geholfen. Sie hatten über dreihundert L