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Kotmörtel

Roman eines Schwadronörs | Thomas Kapielski

E-Book (EPUB)
2020 Suhrkamp Verlag
Auflage: 1. Auflage
300 Seiten; Mit Zeichnungen des Autors
ISBN: 978-3-518-76540-1

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Kurztext / Annotation

Frowalt Hiffenmarkt aus Grollstadt-Sauger arbeitet rechtschaffen als Vertreter für eigentümliche Sanitärartikel, folgt einem starken Drang, an Bahnhöfen Reden zu halten und unterhält in Meppen ein Schreibrefugium, von dem nicht einmal seine Frau weiß.

Der arglose Mann gerät auf so alberne wie unaufhaltsame Weise ins Gefängnis. Täglich wird er von einem offenbar nur für ihn zuständigen, räsonierwütigen Kommissar verhört. Wir erfahren davon in seinen Häftlingsaufzeichnungen, die ihre erschütternde Wahrkraft größtenteils einer ihm seit je zugewandten Brummspezies verdanken: einer Art Kotfliege (Scathophaga), die nach Sonnenuntergang Hiffenmarkts Hirn und Gedankenwelt überfällt und Schriftspuren hinterlässt ...

Ein Sittenthriller aus der bösen neuen Zeit, als das Schwadronieren noch geholfen hat.



Thomas Kapielski, geboren 1951 in Berlin, ist ein deutscher Schriftsteller, Musiker und bildender Künstler. 2010 erhielt er den Preis der Literaturhäuser, 2011 wurde er mit dem Kasseler Preis für grotesken Humor ausgezeichnet. In der edition suhrkamp erschien zuletzt Kotmörtel. Roman eine Schwadronörs (es 2759).

Beschreibung für Leser
Unterstützte Lesegerätegruppen: PC/MAC/eReader/Tablet

1. Kapitel
Würmer

Ach, werte, mir treu verbliebene Leser! Von den Gipfeln und letzten Erhebungen der Lebensmitte geworfen altere ich - sogar hörbar! Hört Ihr es auch schon, wie ich, nächtens knistern und knacksen? Es ist wie im Tal, wo man es bei Frost oben in den Gebirgen reißen und brechen hört, weil Stein und alte Tannen bersten. - Ob's bei mir vom Amboß (diesem Gehörknöchelchen) oder von sonst welchen Knorpeln oder von den Gelenken, den Kaldaunen herauf oder extern von den Kissen her knistert und knastert, bleibt unklar - jedenfalls steht's unleugbar in Verbindung mit dem unleugbaren Alterungsprozeß. - Also knirscht es bei mir wohl eher oben im Giebel (wo mein Getriebe wohnt) und gezähmter (noch) im ganzen leibhaftigen Rest!

Ich lausche diesem Knirschen, bisweilen ist es ein sachtes Prasseln (gar Morsen?), mit amüsiertem Gleichmut; es läßt sich jedenfalls nicht dechiffrieren oder irgend anders ausdeuten und stört auch nicht weiter, ja, es wiegt mich zuweilen sogar in den Schlaf, wenn es so sanft knistert wie Papierblumen im leichten (Ventilator-) Wind oder wenn's prasselt wie Regen draußen in kalter Nacht, der es im Bette ja stets noch behaglicher macht - sogar im Gefängnis unter diesen amtlichen Bettdecken hier, worauf die hiesigen Gewalten die Aufschrift haben einweben oder - was weiß ich denn? - aufsticken lassen: »Haftanstalt Grollstadt-Sauger«

Überdies und hierfür oder (konzertant besehen:) zum Altersknirsch hinzu bekam ich dann begleitend (nach der Haft, muß ich nunmehr ergänzen) von irgendeiner Deutschen Bundesanstalt monatlich 632,63 spendiert - sogenannten »Knatter«, auch »Knaster« (so paßt's zum nächtlichen Geknister) oder auch »Schotter«, andere wieder bevorzugen »Eunuchen« oder sagen »Euronen« oder im Sozialfalle »Euter«. - Nun wie auch immer, die bekomme ich allesamt hinzu orchestriert zum nächtlichen Altersgeknirsche. (Ich hör's ja auch gern! - aber das verdoppelte Geräusch in alter D-Mark wäre mir lieber!)

Welchselbige 630 Bundes-Euter und Knatter-Eulen (haha!) oder Deutsch-Adler (hoho!) ich mir freilich doch selbst und zeitlebens sauer ab- und aufgespart und damals wie heute ordnungsgemäß - für höhere Zwecke noch als diese! - versteuert und irgendwo immer zwangsweise eingezahlt habe. Und nun rücken sie die nach und nach (stark gestückelt und) gönnerhaft wieder raus ... Bei meinen Abgaben seinerzeit sollte es großzügig und immer schön flott und brutto zugehen - und das ist es auch! Denn es gilt, meiner Gesittung gemäß, mit stark altchristlichem Einschlag:

»Wer zwei Mäntel hat, gebe einen ab, damit auch der zwei habe, der nur einen hat!«

Man hatte mir mitgeteilt, daß es sich bei der Kohle um eine »Wiedergutmachung« (so hatte es in der Post gestanden) bzw. um so etwas wie ein »außerordentliches Altersruhegeld« (so hatten sie am Telefon gesagt) handele - wobei im ersten apostolisch amtspostalischen Dreiwort befremdlich bleibt, was mit den paar Piepen »wieder« - wieder?! war es denn je? - »gut« gemacht werden kann? Da reicht doch ne Mille nich hin!

Und im anderen (telefonischen, »außerordentlichen«) Dreiwort verursachte mir die »Ruhe« viel Grübeleien; etwa frage ich mich oftmals zu Bett, während des knirschenden Knatterns oder prasselnden Knatterknirschs (hoho!), ob das Wort mehr als wie ein Ruhekissenwort die Altersruhe betont - zum Sterbetrost? Oder vielmehr ein Ruhegeld meint, also Ruhigstellung der Alten mittels Geld? So was wie: staatsfinanzierte Sedierung der Moribunden und Schmerzgramen, im Sinne von 'Gebt endlich Ruhe jetzt!'? -&nbs